Ideen führen zu Innovationen… oder vielleicht doch nicht?Artikel vom 27. November 2023

Ideen sind ohne Zweifel der Schlüssel zu Innovationen. Ohne sie gibt es nichts zu entwickeln, nichts auszuführen, nichts zu lernen. Aber führen sie unweigerlich zu Innovationen?

Die Antwort ist hier ein klares „Jein“, denn Ideen sind so vielfältig und so unterschiedlich wie ihre Schöpferinnen und Schöpfer. Ideen zu generieren ist erstmal nicht schwer und kann mit modernen Hilfsmitteln sogar gefördert werden. Aber für Innovationen hilft das nicht unbedingt weiter, denn es geht um die Qualität einer Idee und darum, diese in der Masse zu identifizieren und zu isolieren.

 

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Wer schon einmal bei einem Ideenfindungsworkshop mitgemacht hat, kennt vielleicht den motivierenden Ausspruch der Workshopleitung, dass man bei der Ideenfindung keine Angst haben muss, denn es gäbe keine schlechten Ideen. Das ist leider ein Mythos. Es gibt sogar grottenschlechte Ideen!

Und deswegen ist es von der Ideenfindung bis zur Implementierung bzw. Umsetzung ein langer Weg. Denn Ideen müssen zuerst gesammelt, geschliffen und kontinuierlich überarbeitet werden, bevor dann die Evaluierung der Ideen folgt. Zum Schluss werden die Ideen validiert und schließlich einer finalen Testung unterworfen. Auf diesem Weg werden viele Ideen aussortiert und entweder erneut überarbeitet oder verworfen. Nach vielen Iterationen verbleibt dann hoffentlich noch ein Häufchen von Ideen, die es wert sind, weiterentwickelt zu werden.

In einem innovativen Unternehmen gibt es ein Ideenmanagement, das eine große Anzahl an Ideen kontinuierlich einen vordefinierten Prozess durchlaufen lässt, um die Ideen zu extrahieren und umzusetzen, die das Unternehmen seinem strategischen Ziel näherbringt. Das ist wichtig, da die meisten Geschäftsideen innerhalb des ersten Jahres scheitern. Ideenmanagement, Ideenvalidierung und intensive Marktforschung sind aber wichtige und nützliche Maßnahmen, die die Ideen auf den richtigen Weg bringen können.

 

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Ideenvalidierung - das „Warum“

Es gibt bizarre Ideen, die sich schnell durchgesetzt haben und gute Ideen, die gescheitert sind. Um ein Gefühl für die Wertigkeit einer Idee zu erhalten, muss diese getestet, überarbeitet und vor allem validiert werden. Laut Julia Kylliäinnen von der finnischen Innovationssoftwareschmiede Viima geht es bei der Ideenvalidierung darum, durch Experimente Beweise für die Umsetzbarkeit von Ideen zu sammeln, um schnelle, fundierte und risikoarme Entscheidungen treffen zu können. Der Zweck der Ideenvalidierung besteht darin, die Idee in der realen Welt zu testen, bevor das endgültige Produkt oder Angebot entwickelt und der Öffentlichkeit präsentiert wird. Neue Ideen enthalten unvorhersehbare Elemente und Annahmen, die innovative Pläne und Strategien schlagartig zerstören können. Eine Validierung kann dieses Risiko minimieren und die Bereitstellung einer wertschöpfenden Dienstleistung beschleunigen sowie Kosten reduzieren. Sie sollte geschehen, bevor viel Zeit und Ressourcen in die Entwicklung der Idee investiert wird. Dadurch kann vermieden werden, dass ein Produkt oder ein Konzept entwickelt und auf den Markt gebracht werden, die keine Abnehmerschaft finden und für die niemand bereit ist, zu bezahlen. Der Zweck der Ideenvalidierung besteht darin, sicherzustellen, dass eine echte Nachfrage besteht und nicht nur wieder „eine weitere coole Idee" das Licht der Welt erblickt. Eine brauchbare Idee sollte entweder in der Lage sein, ein echtes Problem zu lösen, den beabsichtigten Zweck zu erfüllen oder andere Anreize zu bieten. In der Regel ist es am klügsten, zunächst das Problem zu analysieren und zu prüfen, ob die eigene Idee dieses Problem lösen kann. Es ist wirklich keine gute Idee, eine Lösung vor dem Problem zu entwickeln. Eine Ideenvalidierung kann Aufschluss darüber geben, ob es einen echten Markt für ein Produkt gibt und bereits eine Kundschaft existiert, die willens ist, dafür Geld auszugeben. Eine zweite wichtige Aussage lässt sich bezüglich des Zeitpunkts treffen und ob dieser richtig gewählt wurde, denn manchmal ist das Produkt hervorragend, aber der Markt bzw. die Kundschaft sind noch nicht reif für das Produkt.

Google Glass ist so ein Beispiel für eine scheinbar gute Idee, die zwar umgesetzt wurde, aber niemand wirklich wollte oder brauchte. Die Brille wurde zudem nicht nur schlecht vermarktet, sondern löste jede Menge Sicherheits- und Gesundheitsbedenken aus. Der hohe Preis (1.500 Dollar) machte die Situation nicht besser, vor allem, weil Google Glass keinen klaren Nutzen für die Zielgruppe bot, außer die Privatsphäre anderer leichter verletzen zu können (blickcheck.de). Inzwischen wurden zwei Updates entwickelt (Google Glass 2 und 3), die in naher Zukunft auf den Markt kommen sollen. Die Enterprise Edition (Google Glass 2) ist speziell für Firmen entwickelt worden und soll dabei helfen, Arbeitsabläufe von Herstellern und Angestellten sicherer zu gestalten sowie die Produktivität zu erhöhen. Eine dritte, völlig überarbeitete Version der Augmented Reality-Brille ist zwar schon öffentlich vorgestellt worden, befindet sich aber immer noch im Teststadium (Smart Home Fox, 2023).

 

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Ideenvalidierung - das „Wie“

Es gibt verschiedene Wege, eine Idee zu validieren. Welcher der beste oder zielführendste Weg ist, hängt von der Art der Idee ab. Zielen die Ideen nur auf inkrementelle Veränderungen ab, die wenig oder kein Risiko beinhalten, kann auf eine Validierung auch ganz verzichtet werden. Bei neuen Geschäftsideen, Produkten oder Konzepten jedoch, die mit höheren Risiken behaftet sind, ist eine Ideenvalidierung äußerst ratsam. Um Zeit zu sparen, ist es essentiell, gleich das höchstmögliche Risiko am Anfang abzutesten. Die Playing-to-Win Strategy Canvas  von Matthew May kann hier ein hilfreicher Einstieg sein.

Obwohl es verschiedene Möglichkeiten gibt, eine Idee zu validieren, ist es am Anfang immer sinnvoll, die eigenen Annahmen zu überprüfen und die unternehmerischen Limitationen zu kennen, bevor man mit der Überprüfung der Idee beginnt.

1. Ziele definieren

Wie jede andere Aktivität im Rahmen des Ideenmanagements beginnt auch die Validierung mit der Definition der Ziele. In dieser Phase entscheidet man, was das eigentliche Ziel der Überprüfung sein soll und welche Aspekte man validieren möchte.

Das Ziel kann z.B. eines der folgenden sein:

  • Problemorientiert - Ist das Problem real bzw. wert, gelöst zu werden?
  • Lösungsorientiert - Ist das Produkt bzw. das Angebot geeignet, das Problem zu lösen?
  • Funktionsorientiert - Was sind die Kernfunktionen des Produkts?
  • Modellorientiert - Ist das Geschäftsmodell tragfähig und skalierbar?
  • Preisorientiert - Ist die Nachfrage hoch genug, um das Geschäftsmodell mit dem festgelegten Preis zu realisieren? Wie funktioniert das Preismodell in der Praxis?

 

2. Hypothese formulieren

Nachdem das Ziel definiert wurde, ist es an der Zeit, eine Hypothese zu entwickeln, die auf diesem Ziel basiert. Die Hypothese sollte den kritischsten Punkt der Idee aufgreifen, denn es gilt, gleich am Anfang ein mögliches Scheitern zu erkennen und die schlimmsten möglichen wirtschaftlichen Folgen zu vermeiden.

Im Fall von Amazon war die wichtigste Annahme, dass Menschen eher bereit sind, Bücher, Musik und Filme online zu beziehen, als sich ins Auto zu setzen und zur Mall bzw. zum Buchhändler ihrer Wahl zu fahren. Zwei Dinge sprachen für diese Hypothese: 1. ein 2000%iger Anstieg der Internetnutzung pro Jahr zur Jahrtausendwende (erfolgsgeschichten.org) und 2. die Bequemlichkeit der Amerikaner. Jeff Bezos hat 1994 seinen klassischen Online-Buchhandel aus der eigenen Garage mit einem Startkapitel der Eltern ($ 300.000) gestartet (www.capital.de). Laut eigener Aussage wäre er lieber gescheitert als es gar nicht probiert zu haben. Dafür hat er dann auch konsequenterweise seinen hochdotierten Job als Vizepräsident bei der Investmentbank D.E. Shaw und Co. aufgegeben, wo er hauptsächlich dafür verantwortlich war, Investitionsmöglichkeiten im Internet zu untersuchen (erfolgsgeschichten.org, finanzen.net). So gesehen saß Jeff Bezos zur rechten Zeit am rechten Ort, um seine Hypothesen zu formulieren. Aber für das Ausprobieren und das Validieren seiner Idee musste er dann doch selbst ins kalte Wasser springen.

 

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3. Ausprobieren

Sobald eine Hypothese entwickelt wurde, sollte man dazu übergehen, diese auf Herz und Nieren zu überprüfen. Der Trick besteht darin, einen schnellen und kostengünstigen Weg zu finden, die Annahmen in der Praxis zu testen. Je schneller man herausfindet, ob die eigene Hypothese wahr oder falsch ist, desto eher kann man die ursprüngliche Idee entweder verfeinern, verwerfen oder weiterverfolgen. Oft ist die ursprüngliche Idee nur der Ausgangspunkt für eine bessere und verfeinerte Idee, da eine Verbesserung fast immer unumgänglich ist.

Um die Hypothese zu testen, sind am Anfang Interviews und Umfragen oft ausreichend. Manchmal benötigt man aber mehr, besonders wenn es um die Funktionalität eines bestimmten Produkts geht. Hier ist die Entwicklung eines Prototypen häufig ein guter Weg, um erste Eindrücke und Kritiken sammeln zu können.

Wenn man sich um den potentiellen Markt kümmert und diesen gewissenhaft recherchiert und analysiert, dann sollte man erhaltenes Feedback den drei folgenden Kernfeldern zuordnen:

  • Kunden, die Interesse am Produkt zeigen = Zielmarkt
  • Kunden, die das Produkt kaufen wollen bzw. kaufen werden = Nachfrage
  • Was Kunden tatsächlich dafür bereit sind zu bezahlen = Preis

Mit Hinweisen zu Zielmarkt, Nachfrage und Preis hat man schon eine sehr gute Vorstellung, ob man mit der eigenen Hypothese geschäftsfähig sein wird oder nicht. Je umfangreicher die erhobene Datenlage ist, desto aussagekräftiger und zuverlässiger sind die Einschätzungen und Vorhersagen zum Markt einzustufen.

 

4. Validieren

Die Validierung einer Idee ist nicht immer eine Erfolgsgarantie, da es auf die Ausführung ankommt. Aber die Validierung der kritischsten Annahmen und die Verwendung der Daten, die während des Validierungsprozesses gesammelt werden, können bei der Entwicklung und Umsetzung einer Idee sehr hilfreich sein. Ideenvalidierung ist wichtig, denn sie soll das Risiko minimieren, Ideen umzusetzen, die niemand haben möchte und für die niemand bereit ist zu zahlen. Sie stellt sicher, dass eine Produkt- oder Geschäftsidee Potenzial hat und die wichtigsten Annahmen gültig sind. Es geht darum, die schnellste und kostengünstigste Möglichkeit zu finden, eigene Annahmen zu testen, damit entschieden werden kann, ob eine Idee weiterverfolgt werden sollte oder überarbeitet bzw. verworfen werden muss. Leider wird eine Validierung häufig dadurch erschwert, dass die Annahmen oft nicht mit den tatsächlichen Herausforderungen übereinstimmen.

 

Fazit

Yep, Ideenvalidierung sieht nach einem langen, mühsamen Prozess aus. Aber hier ist die gute Nachricht…es lohnt sich! Nachdem man einige Erfahrungen gesammelt hat, ist man in der Lage, schnell und effektiv seine Ideen zu testen.

Und es kommt noch besser: wenn man in irgendeiner Phase scheitert, muss man sich nicht aufregen und verzweifeln, denn es bedeutet doch nur, dass man erfolgreich Geldverschwendung für eine schlechte Idee vermieden hat. Thomas Alva Edison hat dies einmal sehr gut mit den Worten umschreiben: „Ich bin nicht gescheitert. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.“ Der Trick ist, nicht aufzugeben, sondern so lange mit einer Idee zu spielen, bis sie funktioniert.


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