Wenn wir Transfer hören, dann denken die meisten von uns zuerst an Koffer packen und ab in den Urlaub fliegen. Durchaus zurecht, denn der Transfer beschreibt schließlich den Prozess von A nach B, egal ob das nun der Flug von zuhause in ein fernes Land oder die Fahrt vom Flughafen zum Hotel ist.
Denn transferieren bedeutet übertragen. Und dieses Übertragen ist nicht nur der Tourismusbranche vorbehalten, sondern man kennt das unter anderem auch aus dem Sport, wenn z.B. ein bedeutender Spieler von einem Club zum nächsten gegen sehr viel Geld abgegeben werden soll. Apropos Geld, auch in der Wirtschaft kennt man den Transfer, z.B. von Zahlungen ins Ausland mit Fremdwährungen. Aber eigentlich ist bereits jede Überweisung von einem Konto zu einem anderen Konto ein Transfer. Wir brauchen uns also keine Sorgen zu machen. Nach einem Transfer ist unser Geld nicht weg. Es ist jetzt nur bei jemand Anderem. In der Wirtschaft hat der Transfer aber noch eine weitere wichtige Bedeutung und die teilt sie sowohl mit der Politik als auch mit der Wissenschaft: die Übermittlung von Informationen und Wissen. Wobei das Wissen hier als reines „know how“ in Form von Ideen, Erfahrungen und Kenntnissen vorliegen kann oder aber bereits in einen Gegenstand meist technischer Natur eingebracht worden ist. Und hier kommt nun der Technologietransfer als Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung von Forschungsergebnissen ins Spiel. Traditionell war dieses auf monetäre Verwertung ausgerichtete Transferverständnis lange Zeit vorherrschend, aber dieses Verständnis erweitert sich zunehmend in Richtung Wissenstransfer, was laut Duden als „Weitergabe von erworbenem Wissen“ definiert wird. Die Weitergabe von Wissen ist seit dem Bestehen von Universitäten eine der Grundaufgaben und sowohl durch die Lehre als auch durch Personaltransfer der Absolventinnen und Absolventen gegeben. Doch dieser Transferprozess im Wissenschaftssystem war lange gar nicht im Bewusstsein bei den Akteuren und der Gesellschaft verankert bzw. wurde nicht als solcher wahrgenommen.
Im Blog der Unternehmensberatungs- und Softwarefirma Sage wird die Begriffsdefinition von Wissenstransfer (https://www.sage.com/de-de/blog/lexikon/wissenstransfer/) um spontanen, systematischen, personifizierten und kodifizierten Transfer erweitert. Demnach findet die Weitergabe von Wissen von Person zu Person häufig spontan z.B. durch Gespräche in der Kaffeeküche statt. Dies kann durch die Schaffung von zufälligen Begegnungsmöglichkeiten gefördert werden. Durch die gezielte Zusammenführung von Personen bei Veranstaltungen kann dieser Austausch systematisiert werden. Mit dem Transfer von kodifiziertem Wissen ist die systematische Zusammenführung und Speicherung von explizitem Wissen und dessen Verbreitung über Informations- und Kommunikationssysteme gemeint. Der personifizierte sowie der kodifizierte Wissenstransfer sind sowohl für Organisationen wie Hochschulen als auch für privatwirtschaftliche Unternehmen von großer Bedeutung. Denn die Erfassung und Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen, als auch von Erfahrungen, Tipps und Tricks sind für einen reibungslosen Betrieb essentiell. Häufig entstehen Informationsverluste durch eine hohe personelle Fluktuation, besonders an Hochschulen aber auch bei Unternehmen. Der Verlust von implizitem und explizitem Wissen führt dann schnell dazu, dass hochkomplexe Geräte nicht mehr bedient werden können oder Analysedaten auf personengebundenen Datenspeichern „verschimmeln“. Während Unternehmen den Wissenstransfer nutzen, um Wissen intern zu erhalten, haben Universitäten und Hochschulen explizit den Auftrag, Wissen in die Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu tragen. Die Methoden, die dabei zum Einsatz kommen, sind jedoch sehr ähnlich bis identisch. Hier nun einige typische Beispiele für den personifizierten Wissenstransfer:
Mentoring
Das Mentoring ist eine spezielle Form des persönlichen Wissenstransfers. Hierbei gibt die ältere, erfahrene Führungsperson (Mentorin bzw. Mentor) ihr Fachwissen an eine jüngere und lernbegierige Nachwuchskraft (Mentee) weiter. Meist stehen die Mentorin bzw. der Mentor für einen längeren Zeitraum der oder dem Mentee zur Seite und begleiten sowohl die fachliche als auch die persönliche Entwicklung. Im Unternehmen können so der jüngeren Person Zugang zu eigenen Netzwerken eröffnet werden, aber auch ausgesprochene und unausgesprochene Regeln erklärt werden, die im Unternehmen gelten. Für hohe Lernerfolge ist nicht nur ein funktionierendes Verhältnis zwischen den beiden Parteien von Nöten, sondern viel mehr gewachsenes Vertrauen.
Um Missbrauch bei der gezielten Karriereentwicklung vorzubeugen, sollten niemals Vorgesetzte als Mentoren eingesetzt werden noch sollten Mentees ihre Position im Unternehmen durch diese gefährdet sehen. Mentoring verlangt neben viel Engagement auch ein hohes Maß an Offenheit von beiden Beteiligten (www.kofa.de).
Lerntandems
Lerntandems stellen eine strukturierte Form des Wissenstransfers dar, die zwischen zwei Fachkräften mit unterschiedlichen Kompetenzlevels durchgeführt wird. Sie ist sehr flexibel handhabbar und benötigt keine größere Vorbereitungszeit, da beide Fachkräfte den Wissensaustausch direkt im Arbeitsprozess durchführen. Daher ist diese Form des Wissenstransfers besonders für die Übergabe von Schlüsselpositionen und im Handwerk geeignet. Für eine begrenzte Zeit arbeitet eine erfahrene Fachkraft mit einer weniger erfahrenen zusammen und leitet diese in der neuen Position bzw. im neuen Prozess durch regelmäßige Gespräche an. Verständnisfragen werden im Arbeitsprozess direkt geklärt und dienen der Überprüfung des Wissenszuwachs der weniger erfahrenen Fachkraft. Mit zunehmender Angleichung der Kompetenz, zieht sich die erfahrenere Fachkraft aus dem Lerntandem zurück (www.kofa.de). Häufig gibt es in Lerntandems ein Altersgefälle, d.h. die erfahrenere Fachkraft ist meistens älter als die unerfahrenere. Dies muss aber nicht zwangsläufig so sein, vor allem nicht in Unternehmen, in denen Lerntandems durch interne Rotationsprozesse entstehen. Wie lange ein Lerntandem Bestand hat, hängt sowohl von der Komplexität der gemeinsamen Aufgaben als auch von den persönlichen Einstellungen der beiden Fachkräfte ab. Vertrauen in den Lern-willen der unerfahreneren Fachkraft und in die Fähigkeiten der anderen Fachkraft sind Grundvoraussetzung sowie, dass beide Seiten Geduld mitbringen (www.implizites-mitarbeiterwissen.de).
Im Wissenschaftsbetrieb gibt es solche Lerntandem-Modelle häufig in den Lebens- und Naturwissenschaften sowie den Ingenieurwissenschaften zwischen Bachelor- und Masterstudierenden, Masterstudierenden und Promovierenden sowie Promovierenden und PostDocs (Postdoctoral Fellows, bereits promovierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und - wissenschaftler) bzw. Professorinnen und Professoren, gerade wenn es um das Erlernen von Methoden und die korrekte Handhabung von Techniken und Verwaltungswissen geht. Durch die Zusammenarbeit im Lerntandem bekommen die unerfahreneren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Einblicke in das Wissen und die Fertigkeiten der Erfahrenen. Übergeordnetes Ziel ist das Erlernen einer neuen Aufgabe im Arbeitsprozess selbst.
Altersgemischte Teams
Während Lerntandems sich auf Zweierteams mit unterschiedlichen Kompetenzebenen fokussieren, setzen sich altersgemischte Teams aus einer kleinen Gruppe von Mitgliedern unterschiedlichen Alters zusammen, die gemeinsam alle Kompetenzebenen abbilden. Hier lernt und profitiert Alt von Jung und umgekehrt (www.kofa.de). Der Vorteil dieser altersdurchmischten Teams besteht im Austausch unterschiedlichen Wissens sowie unterschiedlicher Erfahrungshintergründe (www.persomatch.de). Die Bildung von altersdurchmischten Teams führt zum einen zu einer besseren Integration von jüngeren und älteren Fachkräften als auch zu einer Reduzierung von Altersdiskriminierung und Vorurteilen. Die Wertschätzung gegenüber den jüngeren Fachkräften führt zu mehr Selbstbewusstsein sowie mehr Selbstsicherheit in der Durchführung von Aufgaben. Bei den älteren Fachkräften führt die Wertschätzung im gemischten Team zu mehr Motivation und dem Gefühl, gebraucht zu werden. Durch die unterschiedlichen Erfahrungshorizonte in den gemischten Altersteams können neue Herausforderungen oft besser und schneller gelöst werden (www.implizites-mitarbeiterwissen.de).
Gerade im Wissenschaftsbereich sind altersgemischte Teams an der Tagesordnung, da sich in den Arbeitsgruppen eine bunte Durchmischung unterschiedlicher Ausbildungs- und Altersstufen wiederfindet. Das trifft sowohl auf das wissenschaftliche als auch auf das technische und wissenschaftsunterstützende Personal zu.
Lehre und Tagungen
Die Lehre dient dazu, den Studierenden nicht nur Grundlagenwissen zu vermitteln, sondern auch Einblick in die aktuellen Forschungsgebiete zu geben und neueste Forschungsergebnisse zu präsentieren. Lehre kann dabei verschiedene Formen an der Hochschule annehmen, so z.B. als Vorlesung, Seminar, Kolloquium, Tutorium oder Praktikum, aber auch als Betreuung von wissenschaftlichen Arbeiten. Des Weiteren werden über das Lehramtsstudium neueste Erkenntnisse in die Schulen und damit in die breite Öffentlichkeit getragen. In Weiterbildungsformaten kann zudem fachspezifisches Wissen an externe Personen weitergegeben werden.
Eine weitere Gelegenheit, Wissen an Hochschulen in breitem, aber spezifischem Rahmen zu verbreiten, sind Fachtagungen und Kongresse. Diese werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genutzt, um den intensiven Austausch bei Vorträgen, Workshops und Poster Sessions zu suchen. Über den Kongress oder die Fachtagung hinaus, werden häufig die präsentierten Poster anschließend in den Gängen der Institute zum Wissensaustausch und zur gegenseitigen Information aufgehängt.
Somit ist gewährleistet, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Besucherinnen und Besucher, vor allem aber auch die Studierenden einen Überblick über die Arbeitsfelder der einzelnen Arbeitsgruppen in den vielfältigen Instituten erhalten können. Gleichzeitig ermöglichen sogenannte „Science Fairs“ der Öffentlichkeit einen Einblick in die Vielfalt der Arbeitsfelder an den Hochschulen. Diese bieten den Wissenstransfer in die Gesellschaft, wobei die Forschungsergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit verständlich dargeboten werden.
Forschungskooperationen
Forschungskooperationen zwischen zwei oder mehreren Partnern (meist Organisationen und Unternehmen) sind eine weitere Variante, Wissen zu transferieren, wobei im Idealfall jeder der Partner seine fachspezifische Expertise in das Forschungs- und Entwicklungsprojekt gibt, um so schneller zum Ziel zu kommen, das alleine, ohne das Wissen des Anderen nicht erreicht worden wäre. Bei der Auftragsforschung hingegen bezahlt die auftraggebende Firma z.B. eine Hochschule, damit diese ihr Wissen einsetzt, um einen Auftrag, z.B. eine Messung mit wissenschaftlichen Geräten, erfolgreich durchführen zu können.
Personaltransfer
Der Personaltransfer gehört mit zu den wichtigsten Formen des Wissenstransfers, da hier Absolventinnen und Absolventen aller Fachrichtungen mit ihrem erworbenen Wissen in die Welt der Wirtschaft, Politik und in die Gesellschaft eindringen. Mit ihrer wissenschaftlichen Expertise tragen sie im Arbeitsleben dazu bei, Innovationen zu generieren, die der Gesellschaft zu Gute kommen.
Kodifizierter Wissenstransfer
Neben dem personifizierten Wissenstransfer kennen wir auch noch den kodifizierten Wissenstransfer, bei dem das Wissen über Zwischenmedien, sogenannte Informations- und Kommunikationssysteme weitergegeben wird. Der Mensch wiederum kann dieses dokumentierte Wissen mit Hilfe seiner fünf Sinne entschlüsseln. Der auditiven und visuellen Wahrnehmung kommen hierbei Schlüsselrollen zu, denn die meisten gespeicherten Informationen von der Frühgeschichte bis heute basieren auf der Fähigkeit zur Entschlüsselung durch ein audiovisuelles System. Sowohl der personifizierte Wissenstransfer als auch der kodifizierte Wissenstransfer sind davon geprägt, audiovisuelle Informationen zu transportieren. Beim personifizierten Wissenstransfer wird vor allem auf Sprache, Mimik und Gestik gesetzt, während die Weitergabe von dokumentiertem Wissen lange von der visuellen Komponente dominiert worden ist (Berichte und Bilder auf diversen Medien) und erst in der jüngeren Zeit sind Träger für beide Sinne verschmolzen, um kombinierte Informationen verarbeiten zu können (audiovisuelle Medien).
Zusammenfassung
Egal, ob nun Wissen persönlich zwischen Personen am Kaffeetisch ausgetauscht wird, oder via Steinsäule, Tonplatte, Papyrusrolle, Diskette und USB-Stick, es bleibt ein essentiell wichtiger Prozess für Hochschulen und Unternehmen. Erstere wollen ihrem Auftrag gerecht werden, Wissen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und fördern deswegen den Wissenstransfer nach außen, während Unternehmen verhindern müssen, dass ihr wertvolles Wissen nicht mit der personellen Fluktuation wieder verloren geht. Hier werden unterschiedliche Formen des personifizierten Wissenstransfers implementiert, um das Wissen innerhalb des Unternehmens zu sichern.
Neben den hier erwähnten Formen des Wissenstransfers gibt es aber noch zwei weitere, sehr wichtige Wege, Wissen zu schützen und trotzdem öffentlich zu machen, nämlich durch den Technologietransfer und das Gründungswesen. Beide Felder haben in Unternehmen schon immer eine große Rolle bei der Expansion gespielt, bei Hochschulen gewinnen nun auch Ausgründungen immer mehr an Bedeutung. Doch dazu demnächst mehr.