Es passiert immer wieder und gar nicht mal so selten, dass Firmen richtig viel Geld in die Hand nehmen, um ihre neueste Idee bzw. ihr neuestes Produkt am Markt zu platzieren und dann völlig überrascht sind, dass statt des geplanten ausgelassenen Sektkorkenknallens lange Gesichter entstehen und schlagartige Ernüchterung eintritt. Denn die geniale Idee, der Doppel-Wumms der Branche, der Wirbelsturm im Marktsegment hat sich völlig überraschend als lauwarmes Lüftchen entpuppt. Hier möchten wir mal gerne einige Beispiele der Branche vorstellen und beleuchten, warum die Produkte gefloppt sind und was man bei Markteinführungen kritisch beachten sollte, bevor man sich im Geiste selbst bejubelt.
Die FlopsFrito Lays fettfreie WOW-Chips
In den 1990er Jahren brachte laut businessinsider.de (2020) der amerikanische Chipshersteller Frito Lay mehrere Chipssorten unter der Bezeichnung „WOW“ auf den Markt. Allen war eins gemeinsam: sie waren völlig fettfrei durch den beinhaltenden Zusatz Olestras, der zwar für das gleiche Geschmackserlebnis sorgte wie bei normalen fettigen Chips, aber aufgrund seiner Molekülgröße völlig unverdaut den Darm passierte. Das große „WOW“ erfolgte dann beim Konsumenten nach Krämpfen und Durchfall auf der Toilette. Hat man sich zum Ziel gesetzt, einen Markt zu erobern, der vom Wohlwollen der zahlenden Kundschaft abhängt, sollte man tunlichst vermeiden, diese mit hinterhältigen Abführattacken verprellen zu wollen.
Sony‘s DAT-Recorder
Sony’s DAT-Recorder ist ein Beispiel ganz anderer Natur, warum ein Produkt am Markt scheitern kann, das trotz exzellenter Qualität sowie edler und robuster Bauweise nur bei Liebhabern und Spezialanwendern Abnehmer fand. Dieses Gerät hatte in den späten 1980ern das Licht der Welt erblickt und sollte die vorherrschende Profiaufnahmetechnologie von UHER Record ablösen. Die DAT-Kassetten (Digital Audio Tape) erlaubten Aufnahmen in höchster digitaler Audioqualität von bis zu 6 Stunden am Stück - und dies ohne Unterbrechung. Leider war der Preis dieses Recorders so hoch, dass dieser bereits in den 1990er Jahren nur noch in Forschungslabors und bei Liebhabern zu finden war. Der Versuch den Markt Ende der 1990er doch noch mit einem kleineren und günstigeren Gerät erobern zu wollen, scheiterte mit dem DAT-Walkman erneut.
Microsoft Windows Vista
Windows Vista ist ein typisches Beispiel dafür, was passiert, wenn man ein sehr erfolgreiches, stabiles Produkt am Markt hat (Windows XP), das von den Nutzern geliebt wird und es dann modernisiert, schicker macht, „mal eben schnell updated“. Vista war jedoch ein Microsoft-typischer Schnellschuss, bei dem die Käuferschaft wieder einmal als kostenfreie Beta-Tester missbraucht wurde. Bemängelt wurden zu Recht der hohe RAM- und Festplattenspeicherbedarf sowie der hohe Stromverbrauch. Doch während die meisten Nutzer dies noch hingenommen hätten, zeichnete sich Vista auch durch jede Menge Fehler aus, so z.B. fehlende Treiber, die zu vielen Bluescreens und Software-Inkompatibilitäten geführt haben. Vista war ein sehr unbeliebter Rohrkrepierer, der dann auch schnell dem bisher vielleicht beliebtesten Betriebssystem von Microsoft, Windows 7, weichen musste.
Samsung Galaxy Note 7
Dieses neue Smartphone von Samsung war im wahrsten Sinne des Wortes ein echter „Burner“. Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Smartphones im Jahr 2016 wurde die Produktion des Gerätes aufgrund technischer Mängel eingestellt und die bereits verkauften Geräte zurückgerufen. Durch einen Produktionsfehler kam es sowohl zu starken Überhitzungen als auch zu Explosionen der eingelegten Akkus. Besonders bei den Luftfahrtunternehmen kam diese brandheiße Überraschung gar nicht gut an und laut FAZ.net (2016) verboten mehrere Luftfahrtgesellschaften, darunter auch die Lufthansa, das Galaxy Note 7 auf all ihren Flügen. Da auch einige Austauschmodelle mit neuen Akkus explodierten, war das Schicksal des Galaxy Note 7 sehr schnell besiegelt, da die Unternehmen AT&T und T-Mobile US den weiteren Verkauf des Gerätes verweigerten (Spiegel online, 2016).
„Tempo“ als Toilettenpapier
Nicht nur technische Errungenschaften erzielen Produktflops. Auch im analogen Bereich gibt es jede Menge groß angelegte Fehlgriffe. So dachte sich der schwedische Papierkonzern SCA, was für die Nase gut ist, kann für den Hintern nicht schlecht sein…zumindest namenstechnisch und brachte das Toilettenpapier „Tempo“ auf den Markt. Allerdings steht vor allem in deutschsprachigen Ländern (DACH-Region) der Begriff „Tempo“ für weiche Schneuztücher – aber eben auch nur dafür. SCA versuchte 5 Jahre lang erfolglos, Tempos als Toilettenpapier zu vertreiben, bis sie 2014 ein Einsehen hatten, das Produkt vom Markt nahmen und seither unter seiner anderen starken Marke „Zewa“ vertreiben (Pocket-Lint.com, 2022). Selbst den bekannten Slogan hätte man hier mit übernehmen können: „Zewa - wisch und weg!“
Die Analyse
Warum floppen Produkte? Was läuft bei der Einführung schief und warum erlauben sich Großkonzerne solche millionenteuren Flops?
Sehr häufig sind die größten Fehler Selbstüberzeugung und Zeitdruck. Auch wenn ein Produkt den Markt dominiert, bedeutet das nicht automatisch, dass eine Markendehnung gelingt, d.h. die Marke „Tempo“ dann automatisch auch als Toilettenpapier funktioniert, weil hier offensichtlich nicht die Eigenschaften „weich und stabil“ beim Kunden assoziiert werden, sondern eher das Ziel, nämlich die Nase und nicht das Hinterteil. Eine ausgiebige Befragung und Testung hätten das Ergebnis im Vorfeld reflektieren und der Konzern gleich auf die Alternativlösung schwenken können. Das Gleiche kann man auch für die WOW-Chips von Frito Lay sagen. Eine ausgiebige Testung hätte die Schwächen zum Vorschein gebracht und das Produkt wäre schön in den Produktionshallen verblieben. Auch bei Samsung hat man offensichtlich auf ausgiebige Stresstests, die neue Produkte an ihre Belastungsgrenzen bringen, verzichtet, denn der Fehler mit den explodierenden Akkus wäre sonst sofort aufgefallen. Sehr wahrscheinlich war es hier eine Managemententscheidung, die für Zeitdruck sorgte und die nötigen Qualitätskontrollen reduziert hat, denn schließlich will man auf dem umkämpften Handymarkt den Anschluss nicht verlieren und dem Konkurrenten Apple auch weiterhin die Stirn bieten. Doch das hat dann auch schon mal seinen Preis, wenn man die Checkliste abkürzt. Apropos Zeit! Sony hat mit seinem DAT-Recorder über den hohen Preis ein massenuntaugliches Nischenprodukt geschaffen, das nur Liebhaber und Spezialanwender erreicht hat. Leider waren die Geräte auch anfällig für Qualitätsverluste beim Abspielen und mussten regelmäßig gewartet werden. Man hätte bereits bei der Entwicklung abschätzen müssen, in welchem Rahmen die Entwicklungs- und Vertriebskosten des DAT-Recorders liegen werden. Nachfolgende, ausgiebige Marktstudien hätten dann die Kundschaft identifiziert, die bereit ist, den Einführungspreis des Gerätes zu bezahlen. Natürlich sind solche Studien nicht zu 100% verlässlich, aber sie sind richtungsweisend und können dem Management Hinweise geben, ob die Entwicklung und Produktion wirklich sinnvoll sind. Das Problem von Microsoft bei Betriebssystemen von PCs jedoch ist ganz anderer Natur und hat weder etwas mit dem Einführungspreis, noch mit schlechtem Marketing oder Zeitdruck zu tun. Warum dieser Konzern immer wieder unausgereifte Betriebssysteme auf den Markt wirft (z.B. Win 95, Win Me, Win Vista, Win 8) und jede Menge Kundinnen und Kunden verärgert, lässt sich nur mit seiner vorherrschenden Marktstellung begründen.
Microsoft macht das, weil Microsoft das kann! Diesen Luxus können sich nur ganz wenige Konzerne leisten und es ist auch bedenklich, wenn ein Unternehmen mit seinem Produkt weltweit eine solch beherrschende Marktstellung einnimmt.
Aber wie vermeidet man Flops? Ganz vermeiden kann man sie nicht, denn die Kundschaft und deren Kaufverhalten ist nicht vollständig berechenbar. Man kann das Risiko minimieren, aber niemals völlig ausschließen. Schon bei der Produktentwicklung, also beim Prozess von der Idee hin zum Produkt, sollten ausführliche Marktanalysen und Tests durchgeführt und vor der Produkteinführung erneuert und ausführlicher wiederholt werden. Als nächstes kommt dann das Marketing als Einführungsfaktor ganz entscheidend zum Tragen. Fehlen die Analysen zum Kundenverhalten oder sind diese veraltet und das Kundenverhalten hat sich inzwischen verändert, dann ist der Flop schon vorprogrammiert. Neben Geschmack und Verträglichkeit, Qualität und Reife, Marketing und Timing, spielt vor allem auch der Einführungspreis eine Rolle, denn er entscheidet darüber, wie aggressiv sich das Unternehmen am Markt positionieren möchte und welche potenzielle Kundschaft angesprochen wird.
Zusammenfassung
Zusammenfassend gilt, wer erfolgreich am Markt vorbeiinnovieren möchte, der sollte auf lästige Marktanalysen verzichten, mit seinen Produkten bloß keine Stresstests durchführen und niemals auf potentielle Kundinnen und Kunden hören. Auch aufwändige Qualitätskontrollen sollten möglichst vermieden werden, sonst könnten ja Produktionsfehler oder Geschmacksverirrungen rechtzeitig erkannt werden. Als clevere Strategie hat sich auch durchgesetzt, den Preis seines Produktes immer über der Schmerzgrenze der Käuferschaft zu belassen, um möglichst wenig Arbeit bei logistischen Prozessen wie Auslieferung zu haben. Unterstützen kann man diese Strategie auch noch mit einem katastrophalen Marketingauftritt, bei dem man 2-3 Randgruppen beleidigt und schon klappt‘s mit dem grandiosen Flop!